Die Semesterferien sind vorüber und das Sommersemester hat für SchülerInnen und StudentenInnen gestartet. Was vom Wintersemester bleibt ist der wohlige aber auch der schale Beigeschmack der Noten. Das Thema Noten ist in den vergangenen Wochen wieder zu einem „heißen Eisen“ in der Bildungspolitik geworden. Ich wollte zwar auf meinem Blog nicht politisch werden, als Lehrerin möchte ich aber dieses polarisierende Thema dennoch beleuchten.
Als Schülerin waren meine Leistungen ähnlich derer von Mark Zuckerberg, Steve Jobs oder des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann – eher durchschnittlich. Bei Elternsprechtagen hörte meine Mutter oft, dass ich faul wäre und kein allzu großes Interesse zeigen würde.
Zwar merkte ich mir sehr schnell Sachverhalte die mich interessierten (inklusive Jahreszahlen), in Fächern die mich nicht sonderlich berührten, hatte ich aber meine liebe Mühe Inhalte zu behalten oder mich auch nur zu motivieren diese behalten zu wollen. Die gefürchteten „blauen Briefe“ waren in meinem Elternhaus wohlbekannt, einmal fand sich sogar ein „Nicht genügend“ in einer Schulnachricht (übrigens in einem Unterrichtsfach, in dem ich nun einen Masterabschluss besitze).
Dennoch ist aus mir etwas geworden, ich schließe in naher Zukunft mein drittes Studium ab und hatte/habe während meiner Studienzeit recht ansehnliche Noten. Also muss ich ja doch einige Begabungen mitbringen und leider nur wenige LehrerInnen meiner Schulzeit haben diese erkannt. Bei meiner Englisch Matura war meine Lehrerin sogar erstaunt, dass ich so gut Englisch sprechen konnte – und das, nachdem sie mich vier Jahre lang und auch im Wahlpflichtfach unterrichtet hatte.
Was bewegt also noch immer Noten so bedingungslos zu vertrauen, Leistungen auf diese zu reduzieren anstatt ein wenig hinter die erbrachten Leistungen und deren zu Grunde liegenden Fähigkeiten zu schauen? Ist es nicht gerade bei Noten auch so, dass diese subjektiv geprägt sind? Gerade bei den jüngsten SchülerInnen sollte, laut Hirnforscher Gerald Hüther, das erforschende, entdeckende Lernen forciert werden.
Was sagt das Bildungsprogramm zum Thema Noten?
Mit der Bildung der neuen Regierung wurden auch neue Ziele für den Bildungsbereich definiert. In Bezug auf Noten ist das Bekenntnis zur Beurteilung nach der fünfstufigen Notenskala und auch eine generelle Beurteilung nach Noten im Primarbereich erkennbar. (Regierungsprogramm S.65).
Besonders auffallend ist aber der Terminus „klare fünfteilige Notenskala“. Diese gibt es bereits und ist klar in der LBVO §14 und §14a (Leistungsbeurteilungsverordnung) definiert. Eine zusätzliche verbale Beurteilung „KANN“!!! laut Regierungsprogramm den Ziffernnoten angefügt werden. Auch dies wurde bereits im österreichischen Schulsystem seit vielen Jahren umgesetzt. Hierzu dienen so genannte Kompetenzraster, die schulautonom an den Standorten erarbeitet wurden und nach Abstimmung mit den Schulpartnern eingesetzt werden.
Was sagt der Hirnforscher Gerald Hüther zu Noten?
Bereits in einem Interview für den Standard vom 15.4.2012 sagte der Hirnforscher, dass SchülerInnen mit guten Noten verstanden haben im System zu funktionieren und sich gut angepasst zeigen. Er merkte an, dass über die Jahre hinweg eben diese gut funktionieren würden, aber zu leidenschaftslosen Pflichterfüllern würden. Die Wirtschaft würde aber selbstständig agierende Mitarbeitende benötigen, wenn sie die neuen Herausforderungen in komplexen Situationen meistern will.
Gerne möchte ich diskutieren, was wertvoller für das weitere Lernen ist, eine simple Note, oder eine genaue Auflistung, was das Kind bereits „Sehr gut“ meistert (also selbstständig, eigenständig, über das Maß hinaus) oder wo es noch Aufholbedarf gibt. Ein Gespräch mit einer Mutter zeigte, dass eine alternative Beurteilung äußerst hilfreich für Eltern sein kann. Sie meinte, durch die verbale Beurteilung konnte sie ihr Kind viel besser beim Erreichen von Lernzielen unterstützen (denn Lesen muss wie z.B. Klavierspielen, Eislaufen, … geübt werden, auch zuhause).
Egal ob nun wieder die Beurteilung durch die fünfstufige Notenskala vorgeschrieben wird (abgeschafft war sie ja nie!) und somit ein Schulforumsbeschluss der Schulpartner ausgehebelt wird, die LehrerInnen werden sich auf die neuen Anforderungen einstellen. Wie die Beurteilung nach der fünfstufigen Notenskala nun in der Neuen Mittelschule aussehen wird, wird die Zeit zeigen.
Noten sind immer subjektiv und dies setzt sich auch in weiterer Folge in Mitarbeiterbeurteilungen fort. Diese schaffen, wie bereits im Interview mit Hirnforscher Gerald Hüther angesprochen, angepasste SchülerInnen und MitarbeiterInnen. Die Individualität und das Leben der Talente geraten auf Kosten der Nachjustierung der Schwächen in den Hintergrund. Demotivation und fehlende Innovation können das Ergebnis sein. Weiters stellen Noten ein wohlvertrautes System dar, das, bedingt durch den jahrzehntelangen Einsatz, für alle aus ihrer eigenen Schulzeit vertraut ist.
Veränderungen eines bekannten Systems bedingen immer Irritation. Es wäre daher nötig, sich auf Veränderung einzulassen, offen zu sein für Neues um alternative Beurteilungen positiv zu verankern.
Ich persönlich bin froh, dass mir trotz Demotivation und Entmutigung einiger meiner Noten in der Schule die Freude am Lernen erhalten geblieben ist. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass Schule, Politik und das Elternhaus den SchülerInnen vermitteln muss, dass sie für sich und für ihren weiteren Weg und nicht für die „Momentaufnahme Note“ lernen. Schule soll nicht als „Feind“ sondern als „Lernpartner“ der SchülerInnen dargestellt und angenommen werden. Weiters sollte die Entscheidungsfreiheit über eine alternative Beurteilung oder eben Noten, wie bisher, den Schulpartnern überlassen werden. Verordnete Schulautonomie kann nie wirksam und schon gar nicht transparent sein.
Dich, lieber Leser und liebe Leserin, lade ich nun herzlich ein, deine Erfahrungen bezüglich Noten in den Kommentaren zu teilen, oder deine Sichtweise darzulegen. Ich bin gespannt auf eine interessante, respektvolle Diskussion.
Liebe Carina,
Noten sind ok für die, die eh gut sind. Aber auch das vielleicht nur bedingt. Ich war eigentlich immer eine gute Schülerin und bin im Laufe meiner Gymnasiumszeit dann im Mittelfeld gelandet. Ganz ehrlich, ich hätte weitaus besser abschneiden können, bin aber den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Warum mehr lernen, wenn man auch so auf eine durchschnittliche Note kommt. Eine differenziertere Betrachtung meiner Leistung hätte vielleicht mehr meinen Ehrgeizig angespornt.
Die einzige sinnvolle Argumentation für Noten ist meines Erachtens die Vergleichbarkeit, was aber nur bei zentral erstellten und benoteten Prüfungen funktioniert. Vielleicht. Ich sehe einfach keinen Sinn den Kindern so einen unnötigen Stress und Druck zu machen. Sohnemann hatte die ersten beiden VS Jahre eine verbale Beurteilung. Zeugnistag war schön und aufregend und das war’s. Dieses Jahr das erste Mal Notenzeugnis. Das Kind hatte immer super Leistungen geliefert und ist mir einen Tag vor Zeugnisverteilung komplett ausgeflippt aus Angst nicht lautet Einser im Zeugnis zu haben. Und das obwohl weder Schule noch zu Hause diesbezüglich jemals Druck gemacht haben. Aber für Kinder mit schwachen Selbstbewusstsein und Selbstzweifeln ist sowas Gift.
Mich stört bei dieser Diskussion immer nur, dass Herr H. als der ultimative Experte dargestellt wird. Ich mag den populistischen Ton nicht und bin mir nicht sicher inwiefern gewisse Aussagen auf Forschungen basieren oder nur um das zu sagen was die Leute hören wollen. Was natürlich nicht heißt das er in gewissen Punkten nicht recht hat.